Im Herzen der Nacht: Nachtwächterinnen in La Maison von Terre des hommes Valais
schrieb am 10.10.2024In den stillen Stunden der Nacht, wenn die Welt schläft, wachen diskrete Menschen über die Kinder. Lernen Sie die Nachtwächterinnen von La Maison von Terre des hommes Valais kennen, hingebungsvolle Wächterinnen, die mit ihrer Anwesenheit die Nächte der Einrichtung erhellen, um den aufgenommenen Kindern einen sicheren Hafen zu bieten. Ihre Aussagen zeigen die Komplexität und Vielfalt der Verantwortlichkeiten einer Nachtwächterin in La Maison und beleuchten die unterschiedlichen Dynamiken zwischen dem Hauptgebäude und dem Pavillon. Erfahren Sie mehr über die Herausforderungen, denen sie sich stellen können, die bewegenden Momente, die sie erleben, und ihr unermüdliches Engagement.
Eine typische Nacht im La Maison
Können Sie eine typische Nacht als Nachtwächterin hier in La Maison beschreiben?
Danièle Miano Delasoie, Nachtwächterin seit 13 Jahren: Die Nachtwachen beginnen um 21.05 Uhr und dauern bis 7.05 Uhr, wenn die Personen der diversen Tagesschichten übernehmen. Zwei Nachtwachen sind in La Maison anwesend, eine im Hauptgebäude und eine im Pavillon. Bei unserer Ankunft am Abend treffen wir uns mit der Erzieherkollegin oder dem Erzieherkollegen, die noch vor Ort sind. Sie oder er erklärt uns, was am Tag Wichtiges passiert ist. Anschliessend gehen wir gemeinsam durch die Zimmer, um die Kinder und ihre Plätze in den Betten zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt stellen wir fest, welche Kinder am folgenden Morgen früher gehen müssen, z. B., um ins Krankenhaus gefahren zu werden. Wir erhalten auch einen schriftlichen Bericht vom Erzieherteam und von der Krankenstation, in dem uns mitgeteilt wird, ob eine besondere Pflege oder Medikamente über Nacht verabreicht werden müssen. Dann sind wir bis 7 Uhr allein.
Wendy Justiniano, Nachtwächterin seit zwei Jahren: Nach dem Zimmerrundgang schliessen wir die Türen und führen einen Sicherheitscheck durch, um zu überprüfen, ob alle Maschinen in der Küche ausgeschaltet sind und ob die Brandmeldekonsole eingeschaltet ist. Am Abend ist die richtige Zeit, um sich mit den älteren Kindern zu unterhalten, die später ins Bett gehen als die jüngeren. Man fragt sie, wie es ihnen geht und was sie den ganzen Tag über gemacht haben. Häufig sind dies günstige Momente für den Austausch von Vertraulichkeiten.
Danièle: Während unseres Dienstes nehmen wir uns auch Zeit, die Berichte der Vortage zu lesen und unsere Beobachtungen der Nacht schriftlich weiterzugeben. Wir kümmern uns auch mit einigen Hausarbeiten um die Sauberkeit der Räumlichkeiten und bereiten die Tische für das Frühstück vor. Während der Nacht machen wir regelmässige Rundgänge zu den Kindern, die eine enge Betreuung benötigen und deshalb im Krankenzimmer schlafen, um uns zu vergewissern, dass es ihnen gut geht. Wir machen auch Rundgänge bei den anderen Kindern, und zwar um Mitternacht, um 3 Uhr und um 6 Uhr. Die Nächte im Pavillon sind anders, passiver, denn bei den Kindern, die dort untergebracht sind, handelt es sich um geheilte Kinder oder solche mit stabileren Krankheiten wie Noma. Wenn es ihnen allen gut geht und sie eine gute Nacht haben, kann die im Pavillon eingesetzte Nachtwächterin von Mitternacht bis 6 Uhr schlafen.
Margot Rossier Blanchut, Nachtwächterin seit 7 Jahren (ehemalige Erzieherin): Wenn Kinder nach Hause zurückkehren, ist es möglich, dass der Tag bereits ab 4 Uhr beginnt. Wir wecken das Kind, bereiten es vor und begrüssen die Person – eine ehrenamtlichen Begleiterin oder ein ehrenamtlicher Begleiter -, die das Kind anschliessend zum Flughafen bringt.
« Die Sicherheit des Kindes und sein Leben stehen an erster Stelle. Wir müssen auf jede Sorge und jedes Bedürfnis des Kindes achten und in der Lage sein, in Notfällen sofort zu reagieren. »
Wendy Justiniano, Nachtwächterin
Verantwortlichkeiten der Nachtwächterinnen in La Maison
Welche Hauptaufgaben haben Sie während Ihres Dienstes?
Wendy: Unsere Hauptverantwortung besteht darin, für das Wohlergehen der Kinder zu sorgen. Wir müssen auf jede Sorge und jedes Bedürfnis des Kindes achten und in der Lage sein, in Notfällen sofort zu reagieren. Die Sicherheit des Kindes und sein Leben stehen an erster Stelle. Bei Problemen, die unsere Kompetenzen überschreiten, rufen wir die diensthabende Krankenschwester. Bei lebensbedrohlichen Notfällen erfolgt der Einsatz eines Krankenwagens.
Sylvette Pasche, Nachtwächterin seit 12 Jahren: Wir beruhigen die Kinder auch, wenn es nötig ist, und trösten sie bei einem Stimmungstief. Während der Rundgänge stellen wir sicher, dass die Kinder gut atmen und kein Fieber haben. Unsere weiteren Aufgaben bestehen darin, die von der Krankenstation vorbereiteten Medikamente zu verabreichen und eventuelle Schmerzen zu lindern, indem wir die in der Reserve vorgesehenen Medikamente einsetzen.
Margot: Kinder mit Herzerkrankungen müssen manchmal sehr sorgfältig überwacht werden, vor allem diejenigen, die sehr müde sind. Wir müssen darauf achten, dass es ihnen nicht an Luft mangelt und sie nicht zu wenig Sauerstoff bekommen. Auch bei Kindern, denen ein Katheter oder Sonde zur kontinuierlichen Ernährung während der Nacht eingesetzt wurde, ist eine erhöhte Beobachtung gefordert.
Welche Arten von Problemen treten bei Ihnen nachts am häufigsten auf?
Sylvette: Wir beobachten oft, dass nach Operationen Schmerzen auftreten, meist an der Narbe, in den Schultern, im Brustkorb, im Rücken oder in den Beinen. Es gibt auch Fälle von Fieber oder Erbrechen.
Wendy: Häufig wird geweint, weil man Albträume hat, krankheitsbedingt müde ist oder nach Hause zu Mama oder Papa möchte.
Danièle: Die Nacht ist häufig die Zeit, wo den Kindern ihre Familie fehlt, das muss man zugeben. Ein Wehwehchen erfordert oft eher eine Umarmung als ein Medikament. Wir achten jedoch immer auf die Krankheiten der Kinder.
Was sind die grössten Herausforderungen, denen Sie als Nachtwächterin gegenüberstehen?
Danièle: Man muss die Verantwortung dafür übernehmen, nachts allein zu sein.
Wendy: Es ist schwer, kranke und leidende Kinder zu sehen. Für mich sollte das Leben eines Kindes darin bestehen, zu rennen, zu springen und zu spielen. Es ist traurig, wenn die Kinder in La Maison dies aufgrund ihrer Krankheit nicht tun können. Deshalb helfe ich ihnen, wo ich nur kann, ohne meine Traurigkeit zu zeigen.
Können Sie eine besonders schwierige Situation mitteilen, die Sie bewältigen mussten, und wie Sie es geschafft haben?
Sylvette: Einmal hat sich ein Kind sehr stark übergeben. Ich rief den diensthabenden Pfleger an, der kam und den Krankenwagen rief.
Wendy: Ganz am Anfang, als ich als Nachtwächterin in La Maison anfing, hatte sich der Stuhlbeutel eines kleinen Mädchens komplett gelöst. Ich konnte meine Kollegin anrufen, die mir sofort zeigte, wie ich mit der Situation umgehen sollte.
Margot: Für mich ist der Tod von Kindern am schwierigsten. Das kann im Krankenhaus während oder nach einer Operation passieren. Man wird darüber informiert, wenn man seinen Dienst antritt, und muss sich dann zusammenreissen, was eine Menge Kraft erfordert. Zum Glück passiert das nur selten.
« Sie sind Kinder mit einer enormen inneren Stärke und einer aussergewöhnlichen Resilienz. Sie freuen sich über wenig und haben immer ein Lächeln auf den Lippen. »
Margot Rossier Blanchut, Nachtwächterin und ehemalige Erzieherin
Vertrauen aufbauen
Wie bauen Sie Vertrauen zu den Kindern auf, die hier sind?
Sylvette: Ich spreche mit ihnen. Für diejenigen, die kein Französisch sprechen, habe ich einen Übersetzer auf meinem Handy.
Danièle: Ich sage ihnen, dass ich stolz auf ihre Stärke und ihren Mut bin und dass ihr Lebensweg bewundernswert ist.
Wendy: Für mich ist Respekt und Vertrauen das Wichtigste. Ich möchte, dass alles ruhig und fröhlich abläuft. Ich versuche, dass jedes Kind versteht, dass ich da bin, um ihm zu helfen, und dass es zu mir kommen und mit mir sprechen kann, ohne Angst vor einer Verurteilung zu haben.
Margot: Ich stamme aus Guinea und versuche, das Vertrauen der Kinder zu stärken, indem ich ihnen sage, dass ich auch aus Afrika komme. Ich stelle ihnen Fragen über ihr Land und frage sie, ob sie ein bestimmtes Gericht oder ein Lied kennen. Das bringt sie auf andere Gedanken und zeigt ihnen, dass ich manchmal die gleichen Dinge wie sie kenne, z. B. das Essen. Die Kinder fühlen sich dadurch beruhigt.
Gibt es besonders einprägsame Momente oder Kinder, deren Geschichte Sie geprägt hat?
Sylvette: Alle Kinder berühren uns auf die eine oder andere Weise.
Wendy: Ja, wir lieben alle Kinder, aber manche Kinder bleiben uns besonders in Erinnerung. Ich erinnere mich an Aimé. Er musste sich jede Nacht sehr stark übergeben. Das war sehr unangenehm für ihn. Trotz allem beschwerte er sich nie und war immer gut gelaunt. Er arbeitete immer mit, was wirklich beeindruckend war.
Margot: Was mich am meisten beeindruckt, ist die Veränderung vor und nach einer Operation, wenn ein Kind in sehr schlechtem Gesundheitszustand nach La Maison kommt, dünn ist und nicht isst. Wenn es dann von der Operation zurückkommt und einige Wochen in der Rekonvaleszenz verbringt, ist es nicht mehr das gleiche Kind. Es kann sich besser ernähren, erholt sich langsam, wird strahlender, zeigt seine Zeichnungen und erzählt von seinen Ausflügen. Wenn es nach Hause kommt, ist das Feuer in seinen Augen ein anderes. Das ist wirklich schön und rührend.
Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft der Kinder, denen Sie helfen?
Danièle et Sylvette: Eine vollständige Heilung, dass wir allen helfen können und dass sie ein normales Leben führen können, wenn sie nach Hause kommen.
Wendy: Ein glückliches und gesundes Leben, ja. Dass sie nicht mehr für eine weitere Operation zurückkommen müssen.
Margot: Und dass sie in die Schule gehen und ein gutes Leben führen können.
Was motiviert Sie bei Ihrer Arbeit am meisten?
Danièle und Sylvette: Die Richtigkeit der Mission, zu wissen, dass man dazu beiträgt, Kinder zu retten.
Wendy: Die Kinder, ihr Lächeln. Zu sehen, dass sie gesund zu ihren Eltern zurückkehren. La Maison von Terre des hommes Valais ist ein Ort, an dem es viel Menschlichkeit gibt, es ist einfach schön.
Margot: Die Kinder sind meine beste Motivation. Denn sie sind Kinder mit einer enormen inneren Stärke und einer aussergewöhnlichen Resilienz. Sie freuen sich über wenig und haben immer ein Lächeln auf den Lippen.
Insgesamt wechseln sich sieben Nachtwächterinnen während der Nächte in La Maison von Terre des hommes Valais ab. Neben Danièle, Wendy, Margot und Sylvette besteht das Team aus Angélique Johnson, Habibatou Mouttet und Aurélie Vouillamoz, die im vergangenen Juli neu dazugekommen ist. Ein herzliches Dankeschön geht an Sonia Berguerand, die nach elf Jahren treuen Dienstes ihr Amt niedergelegt hat.
Erfahrungsbericht der 13-jährigen Fatoumata: Wie die Teenager ihre Abende in La Maison verbringen
Am Abend wird ferngesehen oder gespielt, z. B. UNO. Die Schlafenszeit für 13- bis 15-Jährige ist während der Woche um 21.30 Uhr, am Wochenende um 23 Uhr. Manchmal lassen uns die Nachtwächterinnen noch ein bisschen länger aufbleiben.
Wenn wir im Zimmer sind, schlafen wir nicht sofort. Wir unterhalten uns, aber leise, um die Kleinen nicht zu wecken, oder wir lesen.
Ich selbst schreibe gerne. Ich führe ein Tagebuch mit den täglichen Erlebnissen und Vorkommnissen. Das habe ich schon zu Hause in Guinea gemacht. Wenn ich meine Familie vermisse, bleibe ich lieber still und ziehe mich für einen Moment zurück, um an sie zu denken.
Gut vorbereitete Wärterinnen: Die strenge Ausbildung von Nachtwächterinnen
Frage an Carlos Gutierrez, leitender Krankenpfleger
Welche Ausbildung haben die Nachtwächterinnen, einschliesslich der speziellen Fähigkeiten, die sie benötigen, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden?
Die Nachtwächterinnen in La Maison haben einen sehr verantwortungsvollen Job. Sie sind nachts allein in den Gebäuden und haben das Leben der Kinder in ihren Händen. Sie haben eine Ausbildung im Bereich der Pflege und Erfahrung in diesem Sektor. Dies kann eine Ausbildung als Pflegehelfer/in des Roten Kreuzes oder als Fachangestellte/r Gesundheit (FaGe) sein. Gesucht werden auch menschliche Fähigkeiten wie Teamarbeit, Einfühlungsvermögen und Anpassungsfähigkeit. In La Maison gibt es nämlich eine Vielfalt an Altersgruppen und Hintergründen sowie kulturelle Unterschiede.
Intern gibt es natürlich eine spezielle Ausbildung bei der Aufnahme der Tätigkeit. Die neue Nachtwächterin arbeitet einen Monat lang im Zweierteam mit einer anderen, erfahrenen Kollegin. Da die Kinder eine besondere Pflege benötigen, wird ein Schulungstag in der Krankenstation organisiert. Diese Schulung wird jedes Jahr wiederholt, um die richtigen Handgriffe beizubehalten. Längerfristig werden Weiterbildungen im Zusammenhang mit spezifischen Pathologien, die in La Maison vorkommen, wie z. B. Noma, organisiert. Jährlich ist ein Reanimationskurs obligatorisch, um richtig reagieren zu können, auch wenn solche Situationen äusserst selten vorkommen.
Die Nachtwächterinnen in La Maison haben jedoch eher eine sozialpädagogische als eine pflegerische Funktion. Das Team der Krankenstation kümmert sich tagsüber so weit wie möglich um die medizinische Seite, um die Überwachung während der Nacht zu erleichtern und den Nachtwächterinnen zu ermöglichen, den Kontakt mit den Kindern zu bevorzugen.
Sicherheit in der Nacht: Nachtwächterinnen an vorderster Front
Frage an Anne Hehlen, Sicherheitsbeauftragte
Welche Sicherheitsmassnahmen werden zum Schutz der Kinder in der Nacht ergriffen und welche Rolle spielen die Nachtwächterinnen bei der Umsetzung und Überwachung dieser Massnahmen?
Ein Brandmeldesystem verbindet alle Gebäude und ist rund um die Uhr in Betrieb. Nachts, von 19 Uhr bis 7 Uhr, ist es direkt mit der Alarmzentrale der Feuerwehr verbunden und ermöglicht so ein schnelles Eingreifen.
Zweimal im Jahr nehmen die Nachtwächterinnen auch an einem Kurs teil, in dem sie lernen, wie sie im Brandfall reagieren müssen: die Kinder wecken, die Gebäude evakuieren, das Heft mit den Namen und Krankheitsbildern der Kinder sowie das Telefon der Krankenstation mitnehmen und auf die Feuerwehr warten. Die Praktikanten, die auf dem Gelände von Terre des hommes Valais schlafen, helfen bei der Evakuierung und der Betreuung der Kinder. Das Personal, einschliesslich der Nachtwächterinnen, wird auch im Umgang mit Feuerlöschern geschult. Zu den weiteren Sicherheitsmassnahmen gehören beleuchtete Notausgänge, Sicherheitsbeleuchtung und Taschenlampen für den Fall eines Stromausfalls.