Zwischen Lebenswillen und unerwarteten Hindernissen: Maimounas Geschichte

Zwischen Lebenswillen und unerwarteten Hindernissen: Maimounas Geschichte

schrieb am 15.07.2024

Acht Jahre, nachdem ihr Herzschrittmacher bei einem dritten Transfer in die Schweiz ausgetauscht wurde, muss Maimouna erneut operiert werden. In Guinea ist der Eingriff nicht möglich. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Nach zwei gescheiterten Versuchen, in die Schweiz zu gelangen, zeugt Maimounas Reise von ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, unvorhergesehene Herausforderungen anzunehmen. Sie erzählt ihre Geschichte und unterstreicht die lebenswichtige Bedeutung dieser neuen, vierten Überweisung.

Nach zwei gescheiterten Versuchen, in die Schweiz zu gelangen, zeugt Maimounas Reise von ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, unvorhergesehene Herausforderungen anzunehmen.

 „Was mich an der Schweiz am meisten beeindruckt, ist die Menschlichkeit, die Solidarität untereinander und der gegenseitige Respekt.“

Maimouna

Wie bist du zum ersten Mal in die Schweiz gekommen?

2009, im Alter von 15 Jahren, reiste ich zum ersten Mal ausserhalb Afrikas. In Guinea konnten die Ärzte mein Gesundheitsproblem nicht genau diagnostizieren. Deshalb beschlossen meine Mutter und ich 2008, in den Senegal zu reisen. Auch dort war die medizinische Versorgung schwer zugänglich. Die senegalesischen Ärzte hielten das Risiko eines chirurgischen Eingriffs für zu hoch, vor allem wegen der Thrombosen, die ich entwickelt hatte. Nach drei Monaten Behandlung im Senegal hatten wir die Hoffnung aufgegeben.

Dennoch bestand ich darauf, meine Arzttermine im Krankenhaus wahrzunehmen, trotz der schwierigen Situation, in die meine Mutter dadurch geriet. Ich wollte nicht zu Hause sterben und meine letzten Tage im Krankenhaus verbringen. Wir kehrten nach Guinea zurück und kümmerten uns um die Einreise in die Schweiz, um die nötige medizinische Versorgung zu erhalten. Dabei lernten wir eine Frau kennen, deren Kind aus medizinischen Gründen in die Schweiz gebracht worden war. Dank dieser Begegnung konnten wir die Organisation finden, die sich um meinen medizinischen Transfer in die Schweiz kümmerte.

Ein Herzschrittmacher ist ein medizinisches Gerät, das die Kontraktionen des Herzens zu einem regelmässigen Rhythmus anregt.

Dies ist dein vierter Aufenthalt im HUG und in La Maison. Was beeindruckt dich am meisten, wenn du in die Schweiz kommst?

Was mich an der Schweiz am meisten beeindruckt, ist die Menschlichkeit, die Solidarität untereinander und der gegenseitige Respekt. Die Zuwendung zum Patienten, die Fortschritte in der Medizintechnik, die Infrastruktur der Spitäler und vor allem die Art und Weise, wie man dir dein Gesundheitsproblem erklärt. In Guinea ist es genau umgekehrt. In La Maison habe ich meinen Platz und eine Familie gefunden. Ich kann ich selbst sein und mit den anderen Bewohnern frei über unsere Geschichten sprechen. La Maison hat mir die Rückkehr in die Schweiz sehr erleichtert.

Kannst du uns deine Erfahrungen als Patientin schildern, die in die Schweiz verlegt wurde?

Es war wirklich kompliziert. Die medizinische Versorgung in Guinea ist sehr schwierig. Chirurgische Eingriffe, insbesondere der Ersatz meines Herzschrittmachers, sind dort zurzeit nicht möglich. Eine Diagnose zu bekommen, ist schon eine Herausforderung. La Maison war für mich eine grosse Hilfe, weil ich sofort nach der Entlassung aus dem Spital in der Schweiz untergebracht werden konnte und täglich medizinisch betreut wurde. Zihret Hasanovic, der Koordinator von La Maison, hat meine gesamte Reise organisiert.

Maimouna, du konntest deine Reise zweimal nicht antreten. Auf welche Hindernisse bist du dabei gestoßen?

Beim ersten Mal war mein Pass in der Botschaft blockiert, die wegen einer Demonstration in meinem Land geschlossen war. Beim zweiten Mal gab es Komplikationen am Flughafen, weil die Fluggesellschaft verlangte, dass ich einen Arzt aufsuche, bevor ich an Bord gehe. Ich wurde sogar beschuldigt, ein gefälschtes Flugticket zu haben. All das kam zu meiner Angst und Müdigkeit hinzu, denn ich wusste, dass mein Herzschrittmacher nicht mehr lange funktionieren würde. Es war körperlich extrem anstrengend und auch psychisch sehr schwierig. Ich bin nach Hause gegangen und habe mir gesagt, dass ich nicht mehr kann. Ich war sehr deprimiert. Man muss die Hoffnung bewahren und die mentale Kraft finden, um zu überleben… Jetzt bin ich in Sicherheit und sehr erleichtert.

Eine Botschaft an andere kranke Kinder?

Ich würde sie ermutigen, immer Hoffnung zu haben und durchzuhalten, auch wenn die Ärzte vor Ort scheinbar aufgegeben haben. Ich möchte der Kardiologin Dr. Judith Bouchardy, meiner Ärztin in der Schweiz, sowie Zihret Hasanovic und Philippe Gex von La Maison und auch Professor Jean-Jacques Goy von der Stiftung „Une Chance, un cœur“ (Eine Chance, Ein Herz) für ihr grosses Engagement danken. Ein riesiges Dankeschön an alle, die La Maison und seine edle Mission unterstützen. Ich bewundere dieses Engagement für eine gerechtere und fairere Welt zutiefst.

In einer Welt, in der die medizinischen Herausforderungen für viele unüberwindbar erscheinen, ist Maimounas Geschichte eine bewegende Erinnerung an die menschliche Widerstandskraft und die Stärke der Gemeinschaft. Maimounas Reise ist auch ein Zeugnis für die Fähigkeit der Menschheit, sich zu mobilisieren, um den Schwächsten Hilfe und Hoffnung zu bringen.

Rechts Professor Jean-Jacques Goy von der Stiftung "Une Chance, Un Coeur" (Eine Chance, ein Herz).
Rechts Professor Jean-Jacques Goy von der Stiftung „Une Chance, un cœur“ (Eine Chance, ein Herz).
Die Kinder von La Maison teilen einen innigen Moment mit Maimouna, kurz vor ihrer Abreise nach Guinea.
Die Kinder von La Maison teilen einen innigen Moment mit Maimouna, kurz vor ihrer Abreise nach Guinea.

„Ich würde ihnen raten, immer Hoffnung zu haben und durchzuhalten, auch wenn die örtlichen Ärzte scheinbar aufgegeben haben.“

Maimouna

Die Organisation des medizinischen Transfers von Maimouna in die Schweiz war für das Koordinationsteam von La Maison eine grosse Herausforderung, insbesondere aufgrund der Dringlichkeit ihres Gesundheitszustandes. Zihret Hasanovic, Verantwortlicher für die Koordination von La Maison von Terre des hommes Valais, berichtet von den Hindernissen und Erfolgen dieser wichtigen Mission.

Welches waren die grössten Herausforderungen im Zusammenhang mit Maimounas Gesundheitszustand und der Dringlichkeit, in die Schweiz zu reisen, um die Batterie ihres Herzschrittmachers zu ersetzen?

Da wir vor Ort in Guinea keine geeignete Ausrüstung hatten, war es uns nicht möglich, den Zustand der Batterie genau zu bestimmen und somit festzustellen, ob wir nur wenige Tage oder mehrere Wochen Zeit hätten, um die Batterie zu ersetzen. Mehrere Hindernisse standen uns im Weg.

Was waren die Hindernisse?

Das Visumverfahren in Guinea ist kompliziert und langwierig. Da es vor Ort keine Schweizer Botschaft gibt, muss man sich an die Schweizer Botschaft in der Elfenbeinküste wenden. Glücklicherweise haben wir sehr gute Beziehungen zu ihr und können auf ihr Wohlwollen zählen.

Da wir keine Mitarbeitenden im Ausland haben, mussten wir Maimouna bei all diesen Schritten von der fernen Schweiz aus unterstützen und begleiten, indem wir täglich mit ihr telefonierten.  

Sie war gesundheitlich sehr angeschlagen. Wir mussten ihre Reise vorausschauend planen und vorbereiten, um sie so wenig wie möglich zu belasten. Deshalb mussten wir sie von Anfang bis Ende begleiten.

Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die speziellen medizinischen Bedürfnisse von Maimouna zu berücksichtigen und ihr Wohlbefinden während ihrer Reise in die Schweiz zu gewährleisten?

Wir pflegen eine offene und transparente Kommunikation mit allen Betroffenen, die an der Betreuung von Maimouna während ihrer Verlegung in die Schweiz beteiligt sind. Kurz nach ihrer Ankunft wurde eine Konsultation im HUG geplant. Dank der Professionalität und des Engagements jedes Einzelnen wurde alles perfekt organisiert, so dass die Batterie des Herzschrittmachers wenige Tage nach ihrer Ankunft in der Schweiz ersetzt werden konnte – eine grosse Erleichterung für uns alle!

Die Koordinationsstelle für die Pflege in La Maison von Terre des hommes Valais spielt eine Entscheidende Rolle bei der Betreuung der jungen Patienten, die in Massongex aufgenommen werden.

Sie besteht aus vier Koordinatoren, die in den Universitätsspitälern von Lausanne und Genf tätig sind. Dieses Team hat die Aufgabe, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens sowie zwischen den verschiedenen Abteilungen von La Maison zu erleichtern. Sie setzen sich dafür ein, dass jeder Patient, der in La Maison aufgenommen wird, eine reibungslose und effiziente Behandlung erhält. Sie empfängt auch die Kinder bei ihrer Ankunft am Flughafen Genf.